Zum Wohlfühlen, Lesen, Pausemachen
Die Mediathek: ein ganz besonderer Begegnungsort mit digitaler Verwaltung
Von Smart City-Mitarbeiterin Anne Jana
Der dunkelhaarige Schopf eines Schülers schiebt sich durch die Tür: „Ist schon offen?“, ruft der etwa Fünfzehnjährige zögerlich, hinter ihm lugen drei weitere Jungen in den Raum der Mediathek der Von-Galen-Schule. „Ja, kommt rein!“, ruft Katrin Enders. Die 47–jährige gelernte Erzieherin betreut seit 2022 die Mediathek der Von-Galen-Schule in Eichenzell. An vier Tagen in der Woche öffnet sie den Raum in der großen Pause und der Mittagspause für die Kinder und Jugendlichen an der Schule.
Ein paar Minuten später sitzen der Schüler und seine Freunde konzentriert an ihren Hausaufgaben. Weitere Schüler haben an den Medienarbeitsplätzen vor den sechs Computern Platz genommen. Zwei Mädchen lehnen an der Theke und sind ins Gespräch mit Frau Enders vertieft. Die Stimmung ist gelöst und harmonisch. Vereinzelt sind Gespräche, Scherze und Gelächter zu hören. Obwohl aber große Pause ist und im Schulhof zwei Stockwerke tiefer die Schülerinnen und Schüler herumtoben, ist es hier oben insgesamt angenehm ruhig. Der helle, freundliche Raum mit bunten Bücherwänden, Zimmerpalmen, Tischgruppen und gemütlichen Sitzecken lädt zum unmittelbaren „Herunterfahren“ ein.
„So soll es auch sein“, sagt Katrin Enders. „Die Mediathek ist selbstverständlich Teil der Schule, aber die Uhren ticken hier etwas anders. Es ist ein Raum zum Lesen und Bücherausleihen, zum Arbeiten an Präsentationen und Hausaufgaben, aber eben auch zum Pausemachen vom Lärm und gelegentlichen Stress des Schulalltags. Hier begegnen sich junge Menschen, die sonst eher nicht zusammenfinden, und es entstehen Freundschaften außerhalb der eigenen Klasse.“
Ein regelmäßiger Gast ist Kio Kneisel. Der 16-jährige unterstützt Frau Enders in manchen Pausen freiwillig bei der Betreuung der Mediathek. „Ich bin gerne hier“, sagt er. „Hier kann ich abschalten, mit Freunden Uno oder Schach spielen oder mich vor dem Nachmittagsunterricht erholen. Manchmal genieße ich es auch einfach, ein paar Minuten Ruhe zu haben.“ Kio besucht auch die Buchclub-AG von Katrin Enders. Er lese sehr gerne und habe früher sogar Bibliothekar werden wollen. „Mittlerweile habe ich mich zwar für die Ausbildung zum Informatiker entschieden“, grinst er. „Aber Informatik und Bücherliebe schließen einander ja nicht aus.“
Neuer Schwung nach Corona-Tief
Als Enders 2022 die Mediathek der Von-Galen-Schule übernahm, gab es das Angebot bereits seit einigen Jahren. Allerdings waren durch die Schließung während der Coronapandemie die Nutzungszahlen eingebrochen, Enders‘ Vorgängerin hatte zudem ihre Stelle verlassen. „Der Schulleiterin, Bianka Roth, war die Mediathek ein Herzensanliegen und sie suchte nach jemandem, der die frei gewordene Stelle übernehmen würde“, erzählt Enders. „Gleichzeitig mit Büchern und jungen Menschen zu arbeiten, war schon immer mein Traum gewesen. Zudem kannte ich die Schule gut, weil meine Söhne sie besucht haben und ich zu der Zeit als Schulelternbeiratsvorsitzende schon einige Zeit mit der Schulleitung zusammengearbeitet hatte. Als ich von der Stellenausschreibung hörte, habe ich nicht lange nachdenken müssen und mich beworben.“
Im November 2022 wurde die Mediathek nach einer Renovierung neu eröffnet – mit frischem Anstrich und neuen Regalen. Deren Fächer sind gefüllt mit modernen Kinder- und Jugendbüchern, sortiert nach Lesealter und Inhalten. Historische Romane, Klassiker, Fantasy, Comics, Mangas: Die Bandbreite an Genres ist so groß wie die der Themen, beispielsweise Freundschaft, Liebe, Schule, Umwelt, Tiere, Magie. Auch vertreten: problemorientierte Bücher zu Mobbing, Süchten, Selbstwertgefühl, Familienproblemen oder der Suche nach der (sexuellen) Identität. Neben Büchern können auch Zeitschriften und Filme ausgeliehen werden. Voraussetzung: ein Leseausweis.
Die Zukunft der Mediathek ist (auch) digital
Der Bestand der Mediathek ist mittlerweile vollständig digital erfasst. „Im ersten halben Jahr habe ich erst einmal den Altbestand neu katalogisiert“, erläutert Enders. Hinzu kamen etwa 800 neu erworbene Bücher, die ebenfalls inventarisiert werden mussten. Dafür kam das Bibliotheksprogramm Littera zum Einsatz, das Bibliotheken mit einem kleinen oder mittleren Medienbestand die Verwaltung erleichtern soll. Mit positivem Ergebnis: „Seitdem sind einige Arbeitsprozesse unkomplizierter geworden und ich habe den Bestand viel besser im Blick.“
Noch haben die Schülerinnen und Schüler keinen Zugriff auf den Katalog, aber das ist einer von Katrin Enders‘ großen Wünschen für die Zukunft. Daneben will sie den Bestand erweitern: „Aktuell haben wir 1500 Bücher. Mein Ziel ist eine gut sortierte Schulbibliothek mit 3-4000 Büchern und einem umfangreicheren Sachbuchbereich.“ Auch die Nutzerzahlen will sie erhöhen. Derzeit sind etwa 35 Schülerinnen und Schüler regelmäßig in der Mediathek und leihen Medien aus – im Winter mehr als im Sommer. Wenig vertreten seien vor allem die höheren Klassen, an die es schwer sei heranzukommen. „Da ist noch Luft nach oben“, räumt Katrin Enders ein. Um den nächsten Schülergenerationen von Anfang an die Schwellenangst vor der Institution Bücherei zu nehmen und sie fürs Lesen zu begeistern, bietet sie seit kurzem bereits ab der fünften Klasse Führungen durch die Mediathek an. Darüber hinaus findet, initiiert vom Fachbereich Deutsch, einmal jährlich eine Autorenlesung – wie kürzlich die des Comicautors Hans-Jürgen Feldhaus – statt.
Auch ein Wohlfühlort braucht Regeln
Läuft immer alles rund in der Mediathek? Katrin Enders lacht und erzählt, dass sie am Anfang manchmal auch durchgreifen musste. „Einige Jugendliche haben anfangs nicht verstanden, dass die Mediathek kein reiner Aufenthaltsort ist. Sie haben darin gegessen, am Handy Musik gehört und laute Gespräche geführt, was Andere gestört hat.“ Einige Schüler hätten sogar bei einem Streich heimlich Sofas durch die Hintertür hereingetragen. Solche Vorfälle haben dazu geführt, dass nun nur noch Schülerinnen und Schüler mit Leseausweis in die Mediathek dürfen und aus Platzgründen nicht mehr als 20 auf einmal.
„Dabei muss ich streng sein. Das mag ich eigentlich nicht, aber es dient dazu, die Mediathek als Schutzraum jenseits des Klassenraumtrubels zu bewahren“, betont Enders. Schließlich sollten dort alle Besucherinnen und Besucher in Ruhe arbeiten, entspannen und in Bücherwelten abtauchen dürfen. Oft führe die besondere Atmosphäre sogar dazu, dass die Jugendlichen mit ihr über ihre alltäglichen Sorgen und Schulerlebnisse sprächen. Katrin Enders freut das. Ihr Anspruch: „Wenn nur ein junger Mensch täglich aus der Mediathek geht und sich nach dem Aufenthalt wohler fühlt, dann mache ich meinen Job richtig.“
Die Mediathek auf einen Blick
- Für wen: Schülerinnen und Schüler der Von-Galen-Schule
- Voraussetzung: Benutzung nur mit Leseausweis, er kostet pro Schuljahr einen Euro
- Wo: Im ersten Stock, Ebene 3 der Von-Galen-Schule
- Betreut durch: Katrin Enders
- Öffnungszeiten: Von Montag bis Donnerstag, jeweils in der zweiten großen Pause von 11:25 - 11:45 Uhr und in der Mittagspause von 13:15 - 13:55 Uhr
- Angebote: kostenlose Ausleihe von Büchern und Filmen; Nutzung der sechs Computerstationen; Leseecken; Arbeitsplätze zum Hausaufgabenmachen
- Ausleihfrist: 21 Tage